Gewohnheit?


Ich habe Geld in den Jackentaschen. Eigentlich immer. Münzen erbärmlicher Barmherzigkeit.
Ich gebe es den Bettlern. Aus Gewohnheit? Ich weiß es nicht. Ich sehe Mütter mit ihren Kindern sitzen, alte Menschen in Lumpen. Ich gehe auf sie zu und kaufe mir bei ihnen ein Stück reines Gewissen. Ich fühle mich schlecht, weil es mir besser geht als ihnen. Weil ich nicht - auf einem Stück Karton sitzend - auf eine milde Gabe eines vorbei hastenden Ignoranten hoffen muss, dem "dieses Gesindel" ja sowieso schon lang ein Dorn im Auge ist. Sie - diese Bettler - geben mir etwas Wunderbares zurück. Jedes Mal. Im Moment der Überraschung schauen wir uns sekundenlang in die Augen und wir können bis auf den Grund unserer Herzen sehen. Manchmal sind es Kinderaugen der Verzweiflung, die sich aufhellen und auf ewig in meiner Erinnerung versinken.

Ich weiß, ich kann die Welt nicht besser machen. Ich weiß, es ist wahrscheinlich naiv, Bettlern "etwas zu geben". Denn der Bettler von heute bettelt mit Berechnung. Ich tue es trotzdem! Sobald meine Taschen leer sind, stecke ich wieder ein paar Münzen hinein. Längst schon aus Gewohnheit.

Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

      © Antoine de Saint-Exupéry